Kritische Einführung zu dem Buch "Virus-Wahn" von Torsten Engelbrecht und Claus Köhnlein (emu-Verlag, Lahnstein 2006)

Das von Torsten Engelbrecht und Claus Köhnlein, einem Journalisten und einem praktizierenden Mediziner, verfaßte Buch "Virus-Wahn" verdient Anerkennung, denn es stellt eindrucksvoll die Frage nach der Seriosität der bisher erbrachten wissenschaftlichen Nachweise so genannter viraler Erkrankungen und virusbedingter Seuchen. Damit bezieht das Buch gegen ein anscheinend etabliertes Wissen Stellung und erfüllt so eine wesentliche und wertvolle Funktion jedes wissenschaftlichen Arbeitens, nämlich des ständigen Zweifeins und des Hinterfragens scheinbar gesicherten Wissens. Diesem Ziel kommt es weniger durch ein inhaltlich-wissenschaftliches als hauptsächlich durch ein medienkritisch-journalistisches Argumentieren nach: Es kritisiert und provoziert, um so erst ein öffentliches Problembewusstsein zu erzeugen. Dabei pendelt der Text zwischen unterschiedlichen Ebenen hin und her, nämlich zwischen der journalistisch-medienkritischen, der inhaltlich-wissenschaftlichen und einer historisch-akzentuierten. Damit problematisiert es die Wechselwirkung zwischen Wissenschaft, ihrer Finanzierung und medialer Gestaltung sozialer Realität. Als Quellen bedienen sich die Autoren vorwiegend - entsprechend der Anlage des Buches - journalistischer Publikationen, die zum Beispiel im Spiegel und in der New York Times erschienen sind und in allgemeinverständlicher Weise wissenschaftliche Sachverhalte berichten. Die Inhalte der von den Autoren zitierten wissenschaftlichen Originalliteratur werden hingegen seltener ausführlich nachgezeichnet und auf wissenschaftlicher Ebene diskutiert. Allerdings kann hinsichtlich der Zielsetzung des Buches das bloße Aufzeigen der sozialen Mechanismen nicht die Auseinandersetzung mit den wissenschaftlichen Theorien selbst ersetzen, denn um ein bestehendes wissenschaftliches Paradigma abzulösen, müßte man nicht nur seine Unbegründetheit aufweisen, sondern ebenfalls eine theoretische Alternative bieten. Darum fordert das Buch zu weiterer Theorienbildung auf, zum Beispiel zur Aufhellung der in ihm angesprochenen Impfproblematik.

Unserer Meinung nach geht es den Autoren darum, ihr Unbehagen über die gegenwärtige gesundheitspolitische und medizinisch-wissenschaftliche Wirklichkeit auszudrücken. Sie sehen ein grundsätzliches Problem darin, daß in der Medizin eine Tendenz besteht, komplexe Sachverhalte vorwiegend mit monokausalen Denkansätzen wissenschaftlich zu erfassen. Dabei darf daran erinnert werden, daß für die Erklärung und das Verständnis von bakteriell bedingten Infektionskrankheiten dieses Vorgehen nicht selten erfolgreich gewesen ist.

So diskutieren die Autoren die Art und Weise, wie eine monokausale Sichtweise die medizinische Forschung einengen kann, am Beispiel der Theorie zur Entstehung von AIDS, die eine Verursachung allein durch das HI-Virus unterstellt. Die Autoren setzen dieser monokausalen Sicht ihre Auffassung entgegen, daß sich Krankheiten besser verstehen ließen, wenn man sie als von einer Vielzahl von Faktoren abhängig analysiert. Dieser Auffassung zufolge ließen sich viele Krankheiten, auch wenn der vermeintlich monokausale Erreger vorhanden ist, in den meisten Fällen durch einen ungeschwächten Organismus selbst abwehren. Diese Sicht könnte - auch wenn die Virustheorie selbst nicht, wie von diesem Buch behauptet, falsch ist - wichtige Erkenntnisse über noch nicht hinreichend verstandene Krankheiten ermöglichen, die sich bisher einer Erklärung im Rahmen einer monokausalen Theorie widersetzt haben. Dieses weitere wichtige Anliegen dieses Buches, Krankheiten prinzipiell multikausal als komplexe Phänomene zu betrachten, erscheint uns grundsätzlich wertvoll.


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